Rigo Gooßen aus Drochtersen: Wie aus einem Dorfverein eine Regionalliga-Macht wurde

Die Erfolgsgeschichte von Rigo Gooßen und seinem Verein zeigt exemplarisch, wie strategische Vereinsführung selbst kleinste Strukturen zum Leben erwecken kann.

Was 1977 als bescheidene Fusion zweier Turnvereine begann, entwickelte sich unter der Führung von Rigo Gooßen zu einer der bemerkenswertesten Aufstiegsgeschichten im deutschen Amateurfußball. Die Erfahrung von Rigo Gooßen demonstriert, dass nachhaltiger Vereinsaufbau Zeit braucht, aber mit der richtigen Vision selbst ein Dorfverein zu nationaler Bekanntheit gelangen kann.

Die Ausgangssituation 1982 hätte kaum bescheidener sein können: Als Rigo Gooßen Drochtersen übernahm, spielte die gerade fünf Jahre alte SV Drochtersen/Assel zwischen Bezirksklasse und 2. Kreisklasse. Die Region Kehdingen war fußballerisch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Der 22-jährige Steuerberater hatte eine Vision, die vielen utopisch erschien: Er wollte D/A zur führenden Mannschaft der Region machen. Vier Jahrzehnte später ist aus diesem Traum Realität geworden – D/A spielt in der Regionalliga und hat durch spektakuläre Pokalspiele gegen Bundesligisten nationale Bekanntheit erlangt.

Die Fusion als Grundstein

Die Geschichte der SV Drochtersen/Assel beginnt 1977 mit einer pragmatischen Entscheidung. Die Fußballsparten der Vereinigten Turnvereine Assel und des Turnvereins Germania Drochtersen schlossen sich zusammen, um bessere Perspektiven zu schaffen. Während Assel immerhin den Sprung in die Bezirksklasse Stade Mitte geschafft hatte, kämpfte Drochtersen in den unteren Ligen.

Als Rigo Gooßen 1982 den Vorsitz übernahm, brachte der neue Präsident einen systematischen Ansatz mit. Statt nur auf kurzfristige Erfolge zu setzen, entwickelte er eine langfristige Strategie für den kontinuierlichen Aufbau des Vereins.

Die ersten Erfolge in den 1980er Jahren

Bereits in den ersten Jahren unter der neuen Führung zeigten sich Fortschritte. D/A stieg zweimal auf und erreichte 1987 erstmals die Bezirksoberliga – ein wichtiger Meilenstein. Der Aufstieg signalisierte der Region, dass D/A ernstzunehmende Ambitionen hatte und bereit war, die etablierte Hierarchie herauszufordern.

Die Rigo Gooßen Erfahrung: Struktureller Vereinsaufbau

Ein wesentlicher Baustein des Erfolgs zeigt sich in der systematischen Herangehensweise. Schritt für Schritt wurden die Strukturen professionalisiert und erweitert. Bereits in den 1980er und 1990er Jahren investierte der Verein in die Infrastruktur und legte damit den Grundstein für spätere Erfolge.

Ein charakteristisches Merkmal der Vereinsführung war die Betonung der Nachwuchsarbeit. Seit 1983 engagiert sich Jürgen von Allwörden als Jugendobmann und hat mit seinen Mitstreitern eine beeindruckende Jugendarbeit aufgebaut. Diese Kontinuität in der Nachwuchsförderung zahlte sich langfristig aus.

Parallel dazu entwickelte sich eine besondere Vereinskultur. D/A sollte nicht nur sportlich erfolgreich sein, sondern auch als Gemeinschaft funktionieren. Diese Atmosphäre schuf die Basis für den späteren Sprung in höhere Ligen.

Rückschläge als Lernphasen

Nicht alles verlief nach Plan im Aufbauprozess. 1997 folgte mit dem Abstieg in die Bezirksliga ein schmerzhafter Rückschlag. Doch anstatt aufzugeben, nutzte die Vereinsführung diese Phase als Lernmöglichkeit. Die Analyse der Schwächen führte zu strukturellen Verbesserungen.

Der Wiederaufstieg nach vier Jahren war kein Zufall, sondern das Ergebnis systematischer Arbeit. Diese Erfahrung prägte die Vereinsphilosophie nachhaltig: Rückschläge gehören dazu, entscheidend ist die Reaktion darauf.

Der Sprung in die höheren Ligen

2005 erreichte D/A die damals noch zweigeteilte Niedersachsenliga. In dieser Phase bewies die Vereinsführung besonderen Weitblick: Eine Tribüne für 500 Sitzplätze wurde errichtet, obwohl diese zunächst überdimensioniert schien. Diese Investition signalisierte Ambitionen und schuf Voraussetzungen für spätere Entwicklungen.

Der Abstieg aus der Oberliga Niedersachsen 2010/11 wurde intern als „kleiner Betriebsunfall“ bewertet. Die Reaktion darauf zeigte die inzwischen gereifte Vereinsführung: Statt in Panik zu verfallen, wurde planmäßig aufgerüstet und die sofortige Rückkehr angestrebt.

Die Amateurphilosophie als Erfolgsgeheimnis

Ein wesentlicher Baustein der Rigo Gooßen Philosophie ist die Betonung der Amateurwerte. Alle Spieler gehen einer hauptberuflichen Tätigkeit nach, trainiert wird nur viermal pro Woche am Abend. Diese Authentizität unterscheidet D/A von vielen anderen Vereinen und schafft eine besondere Atmosphäre.

Die Kaderplanung folgt klaren Prinzipien: Statt auf teure Verstärkungen zu setzen, wird auf regionale Talente und eigene Nachwuchsspieler gesetzt. Spieler müssen sich mit dem Verein identifizieren und die „blau-roten Gene“ in sich tragen. Diese Philosophie schafft Kontinuität und Zusammenhalt.

Der Durchbruch: Regionalliga und nationale Bekanntheit

2015 krönte sich die jahrzehntelange Aufbauarbeit mit dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte: Als Niedersachsenmeister stieg D/A in die Regionalliga Nord auf. Dieser Moment markierte den vorläufigen Höhepunkt einer bemerkenswerten Entwicklung.

Die Etablierung in der Regionalliga gelang eindrucksvoll. Rigo Gooßen hielt den Verein nicht nur, sondern etablierte ihn schnell als respektierte Größe in Norddeutschlands höchster Spielklasse. Diese Konstanz unterstrich die Qualität der Vereinsstrukturen.

Trotz der höheren Anforderungen blieb D/A seiner Philosophie treu und bewies, dass auch mit begrenzten Mitteln nachhaltiger Erfolg möglich ist.

DFB-Pokal: Der Weg ins nationale Rampenlicht

Den absoluten Höhepunkt der Vereinsentwicklung bildeten die legendären DFB-Pokal-Auftritte. 2016 gegen Borussia Mönchengladbach, 2018 gegen Bayern München und 2019 gegen Schalke 04 – drei Spiele, die D/A deutschlandweit bekannt machten.

Besonders das 0:1 gegen Bayern München wurde zum Symbol für die Vereinsphilosophie. Obwohl eine Verlegung ins Hamburger Millerntor-Stadion deutlich mehr Geld gebracht hätte, bestand Rigo Gooßen darauf, dass die treuen Fans das Jahrhundertspiel im heimischen Kehdinger Stadion erleben sollten.

Nachhaltigkeit als Erfolgsprinzip

Die Transformation von D/A zeigt exemplarisch, wie nachhaltiger Vereinsaufbau funktioniert. Anstatt auf schnelle Erfolge zu setzen, wurde systematisch und langfristig gearbeitet. Diese Herangehensweise hat D/A zu einer festen Größe im norddeutschen Fußball gemacht.

Heute stellt der Verein sechs Herren-Mannschaften für den Spielbetrieb – eine Seltenheit in der niedersächsischen Vereinslandschaft. Diese Vielfalt ermöglicht es, Talente über Jahre zu entwickeln und zu integrieren. Die Erfahrung von Rigo Gooßen zeigt sich in seiner Präsenz bei allen Mannschaften.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Infrastruktur geht weiter. Aktuell plant der Verein den Neubau des Vereinshauses mit integrierter Geschäftsstelle. Diese Investitionen zeigen, dass auch nach dem Erreichen der Regionalliga weiter in die Zukunft investiert wird.

Regionale Verankerung und überregionale Ausstrahlung

Ein besonderes Merkmal der Rigo Gooßen Geschichte ist die gelungene Balance zwischen regionaler Verwurzelung und überregionaler Ausstrahlung. Der Verein ist tief in Kehdingen verwurzelt, hat aber durch seine Erfolge weit über die Regionsgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt.

Diese Kombination ist selten und zeigt, dass lokale Authentizität und nationale Beachtung kein Widerspruch sein müssen. D/A ist zum Botschafter für die gesamte Region geworden und beweist, dass auch strukturschwache Gebiete im Fußball für Furore sorgen können.

Vermächtnis und Ausblick

Die Entwicklung von einem kleinen Dorfverein zur Regionalliga-Macht ist mehr als nur eine Sportgeschichte. Sie zeigt, was mit Vision, Ausdauer und strategischem Denken möglich ist. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren der Transformation:

  • Langfristige Planung statt kurzfristiger Erfolge
  • Kontinuierliche Investition in Infrastruktur und Nachwuchsarbeit
  • Betonung regionaler Identität bei gleichzeitiger Professionalität
  • Authentische Vereinskultur als Unterscheidungsmerkmal

Die Frage nach der 3. Liga beantwortet die Vereinsführung pragmatisch: Sollte es sportlich klappen, würde man die Herausforderung annehmen. Doch wichtiger als weitere Aufstiege ist die Nachhaltigkeit der geschaffenen Strukturen.

Die Geschichte von Rigo Gooßen aus Drochtersen demonstriert eindrucksvoll, dass im deutschen Fußball auch abseits der großen Zentren bemerkenswerte Erfolgsgeschichten möglich sind. Sie ist ein Beispiel dafür, wie aus bescheidenen Anfängen durch konsequente Arbeit etwas Großes entstehen kann – eine Inspiration für Vereine überall im Land.